Wenn die Küche zum Labor wird – molekulares Kochen

Zunächst gilt es, mit einem Missverständnis aufzuräumen: Molekular zu kochen ist keine besondere Diät und hat auch nicht direkt etwas mit schonender Zubereitung zum Erhalt von Vitaminen und anderen Nährstoffen zu tun. Vielmehr geht es darum, mit physikalischen und chemischen Methoden bei der Zubereitung ein besonderes Geschmackserlebnis zu kreieren. Und über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.

Ein irreführender Begriff

Molekulares Kochen wird zwar von einem der Begründer und Vorreiter der kulinarischen Physik, Ferran Adrià, als Begriff akzeptiert, ist aber aus verschiedenen Gründen irreführend. Zunächst bestehen Lebensmittel – wie überhaupt unsere ganze Umwelt – aus Molekülen. Jeder, dessen Kochkünste sich auf Nudeln mit Tomatensoße und ein Spiegelei beschränken, betreibt also molekulares Kochen. Weiterhin hat sich bei vielen Menschen ein Bild im Kopf verfestigt, das das molekulare Kochen in die Nähe der Alchemie rückt. Richtig ist, dass Küchengeräte durch Laborausrüstung ergänzt werden, und auch der Einsatz von flüssigem Stickstoff zur Kühlung passt nicht unbedingt zur klassischen Tätigkeit eines Kochs. Aber viele andere typische Zubereitungsmethoden und Zutaten des molekularen Kochens sind absolut nicht ungewöhnlich. Beispiele sind das Garen bei Niedrigtemperatur oder der Ersatz von tierischer Gelatine durch vegane Alternativen wie Johannisbrot- und Guarkernmehl sowie die aus Algen gewonnenen Produkte Agar Agar und Alginat. Ferran Adrià schätzt, dass die mit dem Begriff molekulares Kochen allgemein verbundenen Assoziationen nur etwa drei bis vier Prozent seiner Arbeit ausmachen. Im Mittelpunkt steht die Vielseitigkeit, durch die besondere Aha-Erlebnisse beim Essen generiert werden.

Schäume und Sphären

Der Idee zur Molekularküche entstand beim Anblick eines Fruchtschaums, wie er beim Auspressen von Saft entsteht. Davon inspiriert, übertrug Adrià die Idee des Aufschäumens auf andere Lebensmittel. Die gängige Zubereitungsmethode für Espuma – spanisch für Schaum – ist die Verwendung einer Zapfflasche in Verbindung mit einer Patrone, die N2O (Distickstoffoxid) enthält. Das Prinzip ist bekannt von Sahnespendern. Beim molekularen Kochen muss der flüssigen Speise ein passendes Bindemittel zugesetzt werden – je nachdem, ob ein kalter oder warmer Schaum erzeugt werden soll, sind das zum Beispiel Gelatine oder die bereits erwähnten Ersatzprodukte, Eiweiß, Fett oder Stärke. Espuma gibt es in süßer oder herzhafter Form – warum nicht einmal Kartoffelschaum als Beilage servieren? Später erfand Ferran Adrià die sogenannten Sphären. Das sind kleine Tropfen mit fester Außenhülle, die erst im Mund ihren flüssigen Kern preisgeben. Besonders bekannt ist Melonenkaviar, den Adrià in seinem Restaurant El Bulli serviert. Um Sphären herzustellen, wird Flüssigkeit kontrolliert geliert. Oft repräsentieren Hülle und Kern dasselbe Lebensmittel, etwa geliertes Olivenpüree, das in Olivenform gebracht und mit flüssigem Olivenextrakt gefüllt wird. Geschmackskontraste sind aber durchaus erlaubt.

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